Falkensee - Kapitel 19



Valerian steigt langsam die Treppe hinauf. Sein Herz schlägt schneller, je näher er der Schlafzimmertür kommt. Er hört seine eigenen Schritte auf den Stufen – dumpf, schwer, fast drohend – und in ihm kämpft ein Wirrwarr aus Wut, Verzweiflung und einem letzten Rest Hoffnung.

 

Oben im Flur bleibt er kurz stehen. Die Tür ist angelehnt. Hinter ihr – Stille. Nur das leise Rascheln von Stoff, vielleicht eine Bewegung. Er atmet tief ein, versucht, die Fassung zu wahren, und legt die Hand auf die Klinke. Er öffnet die Tür.

 

Elysia steht mit dem Rücken zu ihm, über den Koffer gebeugt. Die Sonne fällt durch das Fenster, taucht sie in ein weiches, goldenes Licht. Sie trägt eine schlichte Jeans, ein helles Shirt, die Haare locker hochgesteckt. So normal, so menschlich, so… unerreichbar schön.

 

Valerian bleibt im Türrahmen stehen. Für einen Moment sagt er nichts – er sieht sie nur an. Wie sie leise atmet, wie sie sich bewegt. Wie vertraut und gleichzeitig fremd sie ihm ist. Dann findet er seine Stimme.


„Also ist das jetzt wirklich dein Ernst?“

 

Elysia zuckt zusammen, dreht sich um. Ihre Augen weiten sich kurz – sie hat ihn nicht kommen hören.


„Valerian… ich dachte, du wärst in der Stadt.“

 

„War ich,“ sagt er, tritt einen Schritt in den Raum. 

 

Sie atmet tief durch, richtet sich auf. „Ich wollte nur meine Sachen holen. Ich… bin gleich fertig.“

 

„Gleich fertig,“ wiederholt er und lacht leise, bitter. „So redet man, wenn man nur kurz im Hotel war, nicht wenn man das eigene Zuhause verlässt.“

 

Elysia senkt den Blick, ihre Finger umklammern den Griff des Koffers.


„Das hier ist nicht mehr mein Zuhause, Valerian.“

 

Er starrt sie an, und in seinem Blick mischen sich Zorn und Schmerz.


„Nicht mehr dein Zuhause?“ Seine Stimme wird schärfer. „Ich hab das alles hier für dich aufgebaut! Alles, was du siehst, war für uns! Und du gehst einfach? Ohne auch nur zu versuchen, es zu retten?“

 

„Zu retten?“ Elysia hebt den Kopf, sieht ihn fest an. „Wie rettet man etwas, das längst kaputt ist?“

 

Er macht einen Schritt auf sie zu. „Es war nicht kaputt. Du hast es kaputtgemacht. Mit deiner Flucht. Mit deinem Schweigen.“

 

Elysia atmet zitternd aus, aber sie weicht nicht zurück. „Ich bin gegangen, weil du mich nicht mehr gesehen hast. Weil ich in diesem Haus nur noch funktioniert habe, Valerian. Weil ich vergessen habe, wer ich bin.“

 

„Und jetzt?“ fragt er hart. „Jetzt hast du’s wiedergefunden, ja? Dieses neue Ich? In einer Bäckerei, mit Teig an den Händen und fremden Männern, die dich ansehen?“

 

Seine Worte schneiden, doch sie bleibt ruhig.


„Ja,“ sagt sie einfach. „Genau da.“

 

Für einen Moment herrscht Stille. Valerian sieht sie an, unfähig zu begreifen, dass sie es wirklich so meint.

 

„Du meinst das ernst,“ sagt er leise.

 

„Ja,“ flüstert sie. „Ich mein’s ernst.“

 

Er atmet flach, seine Hände zittern leicht.


„Du weißt nicht, was du tust,“ sagt er schließlich. „Du bist verletzt, verwirrt, und du glaubst, das ist Freiheit. Aber irgendwann wirst du aufwachen – und merken, dass du alles weggeworfen hast.“

 

Elysia tritt einen Schritt auf ihn zu, ihre Stimme fest, ruhig, fast sanft.


„Ich hab nichts weggeworfen, Valerian. Ich hab mich selbst wiedergefunden.“

 

Für einen Augenblick scheint alles stillzustehen. Kein Laut, kein Atemzug. Nur zwei Menschen, die einander ansehen – einer, der loslassen muss, und eine, die endlich frei sein will.

 

Dann nimmt Elysia den Koffer, zieht den Reißverschluss zu.


„Ich geh jetzt,“ sagt sie leise.

 

Valerian steht da, starr, unfähig, sich zu bewegen. In seinen Augen glimmt ein letzter Funke Hoffnung, aber sie sieht ihn – und weiß, dass sie ihn nicht mehr erwidern kann.

 

„Leb wohl, Valerian,“ flüstert sie, geht an ihm vorbei und verlässt den Raum.

 

Er dreht sich nicht um. Er hört nur ihre Schritte auf der Treppe – und dann bleibt nur noch Stille.

 

Eine Stille, die lauter ist als jedes Wort.

 

Elysia steht schon an der Haustür, die Hand auf dem Griff, als sie hinter sich schnelle Schritte hört. Die schweren Tritte auf dem Marmorboden hallen durch den Flur. Sie dreht sich um, gerade in dem Moment, als Valerian die Treppe hinunterstürmt – das Gesicht gerötet, die Krawatte halb gelockert, aber in den Augen liegt etwas anderes als Zorn.

 

„Elysia, warte!“

 

Seine Stimme klingt anders. Nicht schneidend, nicht befehlend – sondern flehend. Er bleibt ein paar Schritte von ihr entfernt stehen, als hätte er Angst, dass sie ihn sofort wieder abweisen könnte. Die Luft zwischen ihnen flirrt vor unausgesprochenen Worten.

 

Elysia atmet tief durch, ihre Finger umklammern den Griff des Koffers. „Was gibt es denn noch zu sagen, Valerian?“

 

Er schüttelt den Kopf, ringt sichtbar um Fassung. „Ich weiß es nicht. Vielleicht… vielleicht gar nichts. Aber bitte, geh nicht so. Nicht so still. Nicht so, als wär da gar nichts mehr.“

 

Sie sieht ihn an – und zum ersten Mal seit Monaten erkennt sie in seinem Blick einen Funken von dem Mann, in den sie sich einmal verliebt hatte. Seine Stimme ist sanfter, sein Blick klarer, seine Schultern gesenkt. Er wirkt nicht mehr wie der kalte, kontrollierte Hotelmagnat – sondern wie der junge, ehrgeizige Mann, der sie damals auf einer Vernissage zum Lachen gebracht hatte.

 

„Ich hab viel falsch gemacht,“ sagt er schließlich leise. „Zu viel. Ich hab dich festgehalten, als ich dich hätte loslassen müssen. Ich hab dich eingesperrt in einem Leben, das du nie wolltest. Ich dachte, ich weiß, was das Beste für uns ist. Aber ich…“ – er bricht kurz ab, atmet zitternd aus – „…ich hab dich verloren, bevor ich’s überhaupt gemerkt hab.“

 

Elysia steht still. Sie will wütend sein, will sich erinnern, wie er sie klein gemacht, kontrolliert, verletzt hat – aber in diesem Moment sieht sie nur den gebrochenen Mann vor sich, und für einen flüchtigen Augenblick tut er ihr leid.

 

„Valerian…,“ sagt sie leise, „du hast recht. Wir haben uns beide verloren. Und vielleicht war das unvermeidlich. Ich war nicht glücklich, du auch nicht.“

 

„Aber ich hätte es ändern können,“ sagt er, und in seiner Stimme liegt plötzlich so viel Schmerz, dass es sie kurz trifft.


„Ich hätte kämpfen sollen, statt dich zu kontrollieren. Ich hätte dir zuhören müssen. Dir glauben, dass du unglücklich bist. Aber ich war zu stolz. Zu dumm.“

 

Sie senkt den Blick, Tränen steigen in ihre Augen, aber sie blinzelt sie weg.


„Es ist zu spät, Valerian.“

 

Er nickt schwach, tritt einen Schritt zurück.


„Ich weiß. Ich… wollte’s nur einmal sagen. Dass es mir leid tut. Wirklich.“

 

Elysia sieht ihn an. Und für einen kurzen Moment, als die Sonne durch die Tür fällt und seine Züge weichzeichnet, erkennt sie ihn wieder – den Mann, der ihr damals den ersten Kuss gab, der sie lachen ließ, als sie alles zu ernst nahm.

 

Für diesen winzigen Moment spürt sie Frieden. Kein Hass, keine Angst – nur Wehmut. Sie legt den Kopf leicht schief und sagt leise:


„Danke, dass du das sagst. Und danke, dass du mich gehen lässt.“

 

Er nickt, die Lippen fest zusammengepresst, als würde jedes Wort ihn mehr kosten, als er zugeben will.

 

„Leb wohl, Elysia,“ flüstert er schließlich.

 

Sie sieht ihn noch einen Herzschlag lang an – dann öffnet sie die Tür, tritt hinaus in die warme Sommerluft. Der Wind bewegt ihr Haar, die Sonne blendet, und sie spürt, wie ihr Herz leichter wird.


Hinter ihr bleibt das Haus still. Und als sie den Weg zum Auto hinuntergeht, weiß sie:


Das war das Ende.


Aber zum ersten Mal fühlt sich ein Ende nicht wie Verlust an –
sondern wie Befreiung.

 

Im Haus bleibt Valerian stehen, unbeweglich, die Hand auf dem Geländer.
Er hört die Autotür, den Motor, das leiser werdende Rollen der Reifen auf dem Kies. Und als Stille zurückkehrt, senkt er den Kopf. Ein Teil von ihm will noch schreien, sie zurückholen – aber ein anderer Teil weiß, dass Frau Schubert recht hatte:


Liebe bedeutet manchmal, jemanden loszulassen.

 

Er schließt die Augen. Eine einzelne Träne läuft über seine Wange.
Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlt sich Stille nicht nur leer an – sondern ehrlich.


Der Nachmittag zieht sich endlos in die Länge. Die Sonne steht tief, blendet durch die großen Fenster seines Büros, und Kian sitzt da, das Handy in der Hand, ohne recht zu wissen, was er eigentlich damit anfangen soll.


Er hat seit Stunden nichts Produktives mehr getan. Die Tabellen auf dem Bildschirm verschwimmen längst vor seinen Augen. Er legt das Handy auf den Schreibtisch, trommelt ungeduldig mit den Fingern. Immer wieder streift sein Blick zur Uhr. Fast fünf. 

 

Er hätte ihr so gerne geschrieben und gefragt ob alles in Ordnung ist. Doch er hat ihre Nummer nicht. 

Er presst die Lippen zusammen. Dieses „Was, wenn“ in seinem Kopf wird lauter mit jeder Minute.

 

Ben schaut kurz vom Nachbarplatz herüber. „Du bist heute aber auch nicht gerade bei der Sache.“

 

Kian zieht eine Augenbraue hoch. „Mir ist nur warm.“

 

„Klar.“ Ben lehnt sich zurück, verschränkt die Arme. „Sag mal ehrlich – du denkst wieder an sie, oder?“

 

Kian zögert, aber dann zuckt er mit den Schultern. „Ja. Ich geb’s zu. Ich frag mich einfach, ob alles gut läuft. Sie war… nervös. Und ehrlich gesagt, ich wär lieber mitgefahren.“

 

„Ich glaub, sie wollte das allein schaffen.“

 

„Ich weiß.“


Kian sieht aus dem Fenster, wo die Sonne glühend über den Dächern steht.

 

„Aber ich würd einfach gern wissen, dass sie’s geschafft hat. Dass sie okay ist.“

 

Ben beobachtet ihn, dann hebt er langsam den Kopf. „Du könntest Hannah fragen. Ich halte mich raus.“

 

Kian dreht sich halb zu ihm. „Das hab ich mir auch überlegt. Aber das kommt komisch, oder? Ich mein, sie weiß genau, dass ich sie mag. Und wenn ich jetzt frage, wo Elysia steckt, sieht das so aus, als würd ich ihr hinterherlaufen.“

 

Ben grinst leicht. „Aber das tust du doch, oder?“

 

„Nein,“ wehrt Kian ab, zu schnell, zu energisch. Dann schüttelt er den Kopf, lächelt schwach. „Okay, vielleicht ein bisschen.“

 

„Dann frag Hannah. Sie wird dich schon nicht auffressen.“

 

Kian lehnt sich zurück, lässt die Gedanken kreisen. Es wäre so einfach, Ben darum zu bitten, ihr kurz zu schreiben, nachzufragen.
Aber seine Antwort von eben hält ihn zurück – vielleicht dieser kleine Rest Vernunft, der ihm sagt, dass Elysia gerade ihre eigenen Kämpfe ausficht.
Dass sie Raum braucht. Und dass es egoistisch wäre, sie jetzt zu bedrängen.

 

„Ich wart bis morgen,“ murmelt er schließlich. 

 

Ben nickt, zufrieden mit dieser Antwort. „Klingt vernünftig. Auch wenn’s dir schwerfällt.“

 

Kian lächelt matt, greift nach seinem Kaffee – längst kalt – und starrt einen Moment auf die dunkle Flüssigkeit.


„Vernünftig, ja. Nur fühlt sich’s nicht so an.“

 

Er lehnt sich zurück, der Blick gleitet hinaus auf die Stadt, wo das Licht weicher wird, die Schatten länger. Irgendwo da draußen, vielleicht gerade auf dem Rückweg, fährt Elysia. 

 

Ben erhebt sich und verabschiedet sich in den wohlverdienten Feierabend. „Ich mach mich vom Acker. Für einen Samstag war das lange genug." 

 

Kian blickt von seinem Monitor auf. „Schönen Feierabend." Ben nickt nur und verlässt mit schnellen Schritten das Büro. 


Das Büro ist leer, die Flure still, und nur das tiefe, gedämpfte Summen seines PC erfüllt den Raum.

 

Kian starrt aus dem Fenster auf die glühende Abendsonne.
Doch er sieht nichts davon. Sein Verstand kreist unaufhörlich um dieselbe Frage:


Geht es ihr gut?

 

Er lehnt sich zurück, verschränkt die Arme, schließt die Augen. Doch das hilft nicht. Ihre Stimme hallt in ihm nach. Ihr nervöses Lächeln gestern auf der Terrasse. Ihr Blick, als sie sagte: Ich will es nur hinter mich bringen.

 

Und dann ist da dieser andere Gedanke. Der dunkle, der ihn seit Stunden quält.

 

        Was, wenn Valerian wieder ausrastet?
        Was, wenn er sie bedrängt?
        Oder...


Er bricht den Gedanken ab, weil er ihn nicht ertragen kann. Er weiß, was für ein Mensch Valerian sein kann. Er hat es gesehen, in Elysias Augen damals -diese stille Angst, diesen Schock, als der Sicherheitsmann sie greifen wollte.


Er kennt die Art Männer, die nicht verlieren können. Und Valerian ist einer, der nie gelernt hat, Grenzen zu akzeptieren.

 

Kian reibt sich über das Gesicht. Seine Brust fühlt sich eng an, schmerzhaft eng.

 

„Verdammt“, murmelt er leise in das leere Büro hinein. „Warum mach ich mir solche Sorgen um sie…?“

 

Aber die Antwort kennt er längst.

 

Er steht auf, geht ein paar Schritte, bleibt wieder stehen, als könnte er vor sich selbst davonlaufen.

 

Weil sie ihm nicht egal ist.

 

Nicht einmal ansatzweise. Er erinnert sich an ihr Lachen gestern Abend.
An die Wärme in ihren Augen, an die Unsicherheit in ihrem Blick, wenn sie dachte, er würde es nicht sehen. An die Art, wie sie ihm vertraute, obwohl sie sich kaum kannten. An die Umarmung, die länger dauerte, als sie dürfte. Er fährt sich durch die Haare und setzt sich wieder.

 

Ich bin total verloren, denkt er.
Und ich kenn sie kaum. Nicht richtig. Nicht genug, um so zu fühlen.

 

Aber Gefühle halten sich nicht an Regeln. Je länger er darüber nachdenkt, desto klarer wird der Gedanke, den er die letzten Wochen weggeschoben hat:

 

Wenn ihr irgendetwas passiert, würde ich das nicht aushalten.

 

Er schluckt hart, sein Blick fällt auf sein Handy. Ein Teil von ihm will Ben sofort anrufen, nachfragen, insistieren, bis er etwas erfährt.


Ein anderer Teil hält ihn zurück – der vernünftige, kühlere Teil. Doch heute ist dieser Teil schwach.

 

Er lehnt den Kopf zurück, sieht zur Decke, schließt die Augen.
Elysias Gesicht erscheint vor seinem inneren Bild – ihr Lächeln, ihr Blick gestern Abend, ihre leichte Unsicherheit, die sie so echt machte.

 

Ich darf mich da nicht reinsteigern, denkt er.


Aber tief in ihm weiß er längst: Er ist nicht „reingestiegen“. Er ist schon längst drin. Mit Haut und Haaren. Kian atmet tief durch, öffnet die Augen – und in ihnen liegt Klarheit.

 

„Wenn ihr irgendwas passiert ist,“ sagt er leise zu sich selbst, „geh ich dahin. Dann steh ich vor seiner Tür. Und dann rede ich mit ihm. Auf meine Weise.“

 

Die Worte sind ruhig, aber in ihnen glimmt Entschlossenheit, wie er sie selten fühlt. Er weiß, dass er noch nichts überstürzen darf.


Aber er weiß auch, dass er Elysia nicht wieder verlieren möchte. Nicht in Gefahr, nicht in Schmerz, nicht an die Vergangenheit.

 

Doch jetzt bleibt ihm nur eines:


Warten – und hoffen, dass sie bald auftaucht. Oder wenigstens, dass Ben ihm eine Nachricht schickt. In diesem Moment vibriert sein Handy –

und sein Herz schlägt ihm bis zum Hals.

 

Unbekannte Nummer.

 

Seine Stirn legt sich in Falten. Ben und Hannah haben feste Nummern. Kollegen auch. Er öffnet die Nachricht.

 

„Bist du da?

 

Für einen Moment sitzt Kian vollkommen still. Der Lärm der Stadt draußen - all das wird dumpf, weit weg, unwichtig.

 

Er starrt auf die Nachricht.

 

Elysia?

 

Es ist, als würde ein warmer Schlag durch seine Brust gehen. Er merkt, wie seine Kehle eng wird, und gleichzeitig fühlt er eine Welle von Erleichterung. Sie hat ihm geschrieben. Sie hat an ihn gedacht.

 

Seine Hände zittern ein wenig, als er zurücktippt.

 

„Ja. Ich bin da. Elysia?

 

„Ja." 

 

Er schreibt zurück:


Und? Alles gut?

 

Kaum ist die Nachricht raus, antwortet sie.

 

„Ja. Ich bin wieder zurück. Es… es war anstrengend. Aber ich glaube, ich hab es geschafft.“

 

Kian atmet hörbar aus. Er lehnt sich zurück, schließt für einen Moment die Augen.

 

Gott sei Dank. Sie ist okay.

 

Er schreibt:

 

„Ich bin froh, dass du wieder hier bist.“

 

Ein paar Sekunden vergehen. Dann, zögernd, fast verletzlich:

 

„Ich auch. Es war ein schwerer Schritt. Dank dir ist es mir ein bisschen leichter gefallen. Unser Abend gestern hat mir geholfen. Er war schön. Ich hab an dich gedacht und Hannah nach deiner Nummer gefragt. Ich wollte dir schreiben.“

 

Kian hält inne. Sein Herz macht einen Schlag, der fast wehtut. Ein weiches, vollkommen unkontrollierbares Lächeln breitet sich über sein Gesicht aus.

Sie hat an ihn gedacht. Nach allem, was sie durchgemacht hat – nach diesem Treffen mit einem Mann, der einst ihr Leben bestimmt hat – war er derjenige, an den sie gedacht hat.

 

Er tippt:

 

„Das bedeutet mir viel.“

 

Eine kurze Pause, dann:

 

„Willst du reden? Oder soll ich einfach nur wissen, dass du okay bist?“

 

Wieder dauert es nur einen Moment.

 

„Ich… will reden. Aber nicht jetzt. Es tut noch zu weh. Aber… ich wollte, dass du weißt, dass ich zurück bin.“

 

Kian spürt, wie seine Brust warm wird. Es ist keine kitschige Wärme, kein Schmetterlingsgefühl – sondern diese tiefe, ehrliche, ruhige Wärme, die man nur empfindet, wenn jemand wichtig ist.


Wirklich wichtig.

 

Er antwortet:

 

„Danke, dass du mir geschrieben hast. Wirklich.“

 

Diesmal dauert es etwas länger, bis ihre Antwort kommt.

Als sie schließlich erscheint, bleibt ihm fast der Atem stehen.

 

„Ich hab den ganzen Tag an gestern gedacht. An unser Gespräch.
Es war… schön. Echt schön.“

 

Er liest die Zeilen dreimal.

 

Dann tippt er:

 

„Für mich auch.“

 

Die nächste Nachricht von ihr kommt sofort.

 

„Du tust gut. Einfach… gut.“

 

Kian sinkt langsam in seinen Stuhl zurück. Sein Herz schlägt ruhig, tief – und er weiß, ohne es sich laut zu sagen:

 

Er ist verloren. Und sie… fühlt es auch, irgendwo, tief in sich, auch wenn sie es noch nicht zulassen kann.

 

Er schreibt nur noch einen Satz.

 

„Wenn du mich brauchst – egal wann, egal warum – ich bin da.“

 

Und nach einer langen, stillen Sekunde kommt ihre Antwort.

 

„Ich weiß.“