Falkensee - Kapitel 25
Die Welt liegt still unter einer weichen, weißen Decke.
Der Schneefall der Nacht hat Brunnental in ein märchenhaftes Winterbild verwandelt - Dächer, Büsche, Straßenlaternen, alles ist pudrig eingehüllt und glänzt im fahlen Morgenlicht.
Elysia zieht ihren dicken Wintermantel über, wickelt sich den Schal zweimal eng um den Hals und schlüpft in ihre warmen Winterstiefel. Die Luft in der Wohnung ist noch kühl, und als sie die Tür hinter sich schließt, dringt sofort der scharfe Winterduft in ihre Nase.
Der Schnee knirscht bei jedem Schritt unter ihren Stiefeln - dieser typische, klare Klang, der nur an echten Wintertagen existiert. Ihr Atem steht als kleine Wolke vor ihr. Sie ist müde, sehr sogar, aber… sie lächelt.
Die letzten Wochen waren schön. Wärmer, als es der Winter erlauben dürfte. Sie und Kian haben sich langsam, aber sicher aufeinander zubewegt. Keine Hast, kein Druck.
Nur ehrliche Nähe, ehrliche Gespräche, gemeinsame Wochenenden, in denen er immer zu ihr nach Brunnental gefahren ist. Er hat Phelia kennengelernt - und Phelia hat ihn sofort in Beschlag genommen. Sie mochte ihn Sofort. Natürlich mochte sie ihn.
Und ihre Eltern…
Elysias Vater hatte sofort einen Narren an Kian gefressen.
Die beiden hatten stundenlang geredet – über Holzarbeiten, über Motoren, über „früher“. Es war selten, dass ihr Vater jemanden so schnell mochte. Aber bei Kian? Da war es anders.
Elysia zieht den Mantel noch ein Stück enger. Ihre Wangen prickeln in der Kälte, doch ihr Herz fühlt sich warm an. Sie denkt an letztes Wochenende. Wie Kian mit ihr auf der Couch gekuschelt saß. Sie Filme geschaut haben, geredet haben und bei den Gedanken an die Nächte huscht ihr ein Lächeln über das Gesicht. Sie waren intesiv, gierig und viel zu kurz.
Sie biegt in die Hauptstraße ein, wo die Konditorei bereits ein einziges helles Fenster im Dunkeln ist. Drinnen wartet der Ofen, der Teig, der Duft von frisch gebackenen Brötchen, der gleich die Kälte vertreiben wird.
Und irgendwo, in einer anderen Stadt, schläft wahrscheinlich ein Mann, der ihr Herz endlich wieder zum Leben gebracht hat. Elysia lächelt vor sich hin. Einfach glücklich.
Die Glocke über der Tür klingelt hell, als Elysia die Konditorei betritt.
Drinnen ist es gemütlich warm, der Ofen läuft bereits und verbreitet einen Duft nach Vanille, Hefe und bald fertigen Croissants. Eine kleine Lampe taucht den Raum in warmes Licht.
Phelia steht hinter der Theke, eingepackt in eine viel zu große Strickjacke, die aussieht, als hätte sie sie im Halbschlaf angezogen. Ihre Haare stecken in einem unordentlichen Dutt, aus dem mindestens fünf Strähnen rebellisch herausragen. Sie nimmt gerade einen Messbecher aus dem Regal, als sie Elysias Schritte hört – und dreht sich um.
„Na endlich! Da ist ja “ ruft sie dramatisch und wirft die Arme in die Luft, als hätte sie eine vermisste Person wiedergefunden. „Guten Morgen, Sonnenschein!“
Elysia lacht und schließt die Tür hinter sich, wobei ihr gleich die Wärme ins Gesicht steigt.
„Guten Morgen, Phelia.“
Phelia mustert sie zwei Sekunden.
Dann verengt sie die Augen.
„Ich sag dir was, Eli…“ Sie tippt sich mit dem Finger energisch gegen die Schläfe. „Du strahlst. Und zwar nicht so ein kleines Glühwürmchen-Strahlen. Nein, nein! Das hier ist illegal.“
Elysia blinzelt verwirrt. „Was?“
Phelia zeigt mit dem Löffel auf sie, als wäre er ein Zauberstab. „Das muss verboten werden! So viel Glück auf einmal ist unverschämt! du kommst hier rein wie eine frisch verliebte Schneekönigin.“
Elysia schmunzelt.
„Ich strahle gar nicht so…“
Phelia schnauft.
„Ach bitte! Eli, ich kenne dich. Wenn du so guckst, denkst an warme Croissants oder an Kian.“
Elysia lacht leise auf.
„Das sind aber zwei sehr unterschiedliche Dinge!“
„Sind sie das?“ Phelia stemmt eine Hand in die Hüfte. „Beide machen glücklich, beide sind heiß und beide kommen am liebsten spätabends.“
„Phelia!“ Elysia prustet los.
Phelia kommt näher, schiebt Elysia mit der Schulter an.
„Ernsthaft, Eli… du siehst gut aus. Verliebt-gut. Das steht dir.“
Elysias Lächeln wird weicher.
„Danke.“
„Aber!“ Phelia hebt warnend den Finger. „Wenn du weiter so strahlst, verlangen die Kunden nach Sonnenbrillen. Dann muss ich ’ne Kiste davon bestellen und das fällt ins Budget!“
„Wird gemacht. Ich strahl nur halbtags“, grinst Elysia.
„Sehr gut.“ Phelia nickt zufrieden. „Und jetzt ab in den Kittel.
Die Konditorei ist mittlerweile warm und erfüllt vom Duft nach Zimt, frischen Brötchen und der ersten Ladung Schneeballen, die Phelia wie immer „viel zu früh, aber unvermeidlich“ nennt.
Elysia steht an der Theke, sortiert gerade Croissants in die Auslage, als die kleine Glocke über der Tür erklingt.
Herr Brenner kommt herein - ein älterer Mann mit grauem Bart und einer Fellmütze, die aussieht, als hätte sie schon zwanzig Winter überlebt. Er ist Stammkunde, jeden Morgen um dieselbe Zeit, und er liebt es, mit Elysia und Phelia zu schwatzen.
„Moin, die Damen!“ ruft er, während er den Schnee von seiner Mütze klopft. „Ich sag’s euch, draußen ist es kälter als ’n Gletscherkuss!“
„Morgen, Herr Brenner!“ ruft Phelia aus der Backstube. „Wir haben heute Extra-Kaffee aufgebrüht, damit Sie nicht am Tresen einschlafen!“
„Ha! Das ist Service!“ Herr Brenner nickt zufrieden und tritt zu Elysia an die Theke. Als er sie ansieht, bleibt er abrupt stehen.
„Sapperlot…“, murmelt er, und Elysia hebt überrascht den Blick.
Herr Brenner blinzelt sie an, seine Augenbrauen heben sich unter der Fellmütze.
„Müssen Sie Leuchtstoffröhren anmelden, Fräulein Elysia?“
Elysia runzelt die Stirn, leicht verwirrt. Stellt ihn eine Tasse mit Kaffee hin - die ganz sicher wie immer gar nicht angerührt wird.
„Ähm… bitte was?“
Er zeigt mit dem Finger auf sie, als hätte er gerade eine seltene Spezies entdeckt.
„Na Sie! Sie strahlen ja, als wären Sie grad frisch vom Liebesurlaub zurück! Ich brauch ja fast Sonnencreme!“
Elysia wird augenblicklich rot. Phelia taucht wie ein geölter Blitz hinter der Theke auf.
„Hab ich’s dir nicht gesagt?!“ ruft sie triumphierend. „Ich hab’s dir heute früh gesagt! Die Frau strahlt wie die Polarlichter gegen Mitternacht!“
Herr Brenner lacht schallend.
„Wenn Sie weiter so blenden, junge Dame, schmelzen uns noch die Schneeballen aus der Auslage!“
Elysia legt sich eine Hand vors Gesicht.
„Oh Gott, ihr übertreibt so…“
„Müssen wir gar nicht“, grinst Phelia breit. „Geben Sie’s zu, Herr Brenner – wir haben schon lange niemanden mehr so strahlen sehen.“
Herr Brenner nickt ernst, aber seine Augen lachen.
„Absolut. Und ich sag Ihnen was: Ein Mensch, der so aussieht, hat gute Dinge im Herzen.“
Elysia senkt den Blick, lächelt warm und leise.
„Vielleicht habe ich das.“
„Ha! Wusst ich’s doch!“ Herr Brenner klopft auf den Tresen. „So, und jetzt hätte ich gern zwei Mohnschnecken, bevor ich hier noch sentimental werde!“
Phelia wischt sich gespielte Tränen aus den Augen.
„Der gute Herr Brenner… ein Poet, wer hätt’s gedacht!“
„Frechheit, junge Frau!“ ruft er empört, aber schmunzelnd. „Das war pure Lebenserfahrung!“
Elysia reicht ihm die Tüte und ein Lächeln, das diesmal ganz bewusst kommt. Und als Herr Brenner wieder in den Schnee hinaus stapft, sagt er:
„Behalt das Strahlen, Mädchen! Das ist besser als jede Wintersonne!“
Das Büro ist wie immer warm, ein bisschen zu stickig, und es riecht nach Kaffee. Kian sitzt auf seinem Drehstuhl, ein Stift zwischen den Fingern, aber er kritzelt nur gedankenlos auf ein Blatt Papier.
Ben steht am Fenster, den Kaffee in der Hand, und mustert seinen Freund schon seit Minuten.
„Du bist heute komisch still“, sagt Ben schließlich, ohne sich umzudrehen. „Gefällt mir gar nicht. Normalerweise nervst du mich schon vor 9 Uhr.“
Kian schnaubt, ohne wirklichen Humor.
„Sei froh.“
Ben dreht sich um, lehnt sich mit verschränkten Armen an das Fensterbrett.
„Also? Raus mit der Sprache. Ich seh’s dir an. Du bist irgendwo anders im Kopf.“
Kian seufzt tief, legt den Stift weg und fährt sich durch die Haare.
„War ein hartes Wochenende.“
„Wegen Elysia?“
Kian nickt langsam, sein Blick wird weich – aber auch schwer.
„Ja… wegen Elysia.“
Ben setzt sich auf die Kante des Schreibtisches.
„Was ist passiert? Ihr habt doch nicht gestritten, oder?“
„Nein, nein.“ Kian hebt sofort die Hände. „Alles gut zwischen uns. Wirklich gut. Vielleicht zu gut.“
Ben runzelt die Stirn.
„Zu gut?“
Kian lehnt sich zurück, seine Schultern sinken.
„Es macht mich fertig, jedes Wochenende hinzufahren… und dann wieder wegzufahren.“ Er schüttelt den Kopf. „Nicht wegen der Entfernung. Die drei Stunden sind mir egal. Fahr ich mit links.“
Ben nickt, sagt aber nichts. Er lässt ihn reden.
„Aber…“ Kian sucht nach Worten, streicht über den Rand des Schreibtisches.
„Es zerreißt mich jedes Mal, wenn ich wieder losmuss. Wenn sie da steht und mir traurig nachsieht, und ich im Auto sitze wie ein Vollidiot und mich frage, warum ich überhaupt fahre.“ Er lacht leise, verbittert. „Ich bin drei Stunden unterwegs, und die ganze Zeit denk ich nur: Ich will zurück.“
Ben nimmt einen Schluck Kaffee.
„Das klingt ziemlich… ernst, Kian.“
„Ist es auch.“
Kians Stimme wird leise, fast brüchig.
„Ich… vermisse sie so schnell. Schon nach einem Tag. Manchmal schon nach ’ner Stunde. Das ist doch nicht normal.“
„Doch“, sagt Ben ruhig. „Wenn’s die Richtige ist.“
Kian sieht auf, überrascht von der Direktheit.
Ben hebt die Schultern. „Ich kenn dich ganz gut. So hast du noch nie über irgendeine Frau gesprochen. Nicht einmal ansatzweise.“
Kian schweigt – weil es stimmt.
„Und…“ fährt Ben fort, „wenn du so weitermachst, settelst du dich emotional komplett in Brunnental ab.“
Kian lässt den Kopf sinken, die Hände ineinander verschränkt.
„Das bin ich schon längst…“ Dann sieht er Ben wieder an. „Ich höre ihre Stimme, und plötzlich fühlt sich alles leichter an. Ich sehe sie – und ich will bleiben. Einfach bleiben. Nicht mehr heimfahren. Nicht mehr dieses blöde ‚Bis nächste Woche‘.“
Ben mustert ihn ruhig, nachdenklich.
„Also was willst du tun?“
Kian schweigt. Weil die Antwort klar ist.
Ben hebt eine Augenbraue.
„Willst du’s sagen, oder soll ich für dich?“
Kian seufzt tief, fährt sich wieder durch die Haare.
Dann, sehr leise:
„Ich glaube… ich verliebe mich in sie.“
Ben grinst.
„Ich glaube, das bist du schon lange.“
Kian lacht einmal leise, unsicher, aber warm.
„Vielleicht.“
„Nicht vielleicht.“ Ben klopft ihm auf die Schulter. „Ganz sicher.“
Kian lehnt sich zurück und atmet durch.
„Und jetzt? Was mach ich jetzt?“
Ben steht auf, nimmt seine Tasse, grinst breit.
„Das, was jeder andere Kerl mit Verstand machen würde: Du hörst auf, jedes Wochenende wieder wegzufahren.“
Kian blinzelt.
„Was meinst du?“
Ben dreht sich zur Tür.
„Ich meine – wenn sie dir so fehlt, dann solltest du dir überlegen, ob dein Zuhause wirklich noch hier ist.“
Und dann verlässt er das Büro.
Kian bleibt sitzen. Er schaut zur Tür, dann zu seinen Händen.
Und zum ersten Mal seit Wochen… fühlt sich ein Gedanke nicht nur richtig an.
Sondern notwendig.
Nachdem Ben das Büro verlassen hat, bleibt die Tür einen Moment halb offen stehen. Ein kühler Luftzug kommt vom Flur herein, bewegt die Baupläne leicht und bringt Kians Gedanken noch mehr ins Schwanken.
Er sitzt ganz still. Sein Stift liegt auf dem Tisch. Der Kaffee steht daneben.
Die Geräusche aus den anderen Büros dringen nur gedämpft durch die Tür.
Doch in seinem Kopf ist es laut. Sehr laut.
Ben hatte es ausgesprochen. Laut. Klar. Unverblümt.
Wenn sie dir so fehlt, dann solltest du dir überlegen, ob dein Zuhause wirklich noch hier ist.
Kian atmet tief durch und lehnt sich langsam im Stuhl zurück. Er schließt die Augen für einen Moment – und in diesem Moment ist da nur ein Bild:
Elysia.
Im dunklen Mantel, mit roten Wangen von der Kälte. Mit diesem Lächeln, das ihn jedes Mal warm macht, egal wie kalt der Tag ist. Mit den Augen, die ihn ansehen, als hätte er einen Platz in der Welt, den niemand sonst hat.
Er fühlt es sofort wieder. Diese Schwere, die immer in seiner Brust liegt, wenn er von ihr wegfährt. Dieses Gefühl, als würde er etwas Wichtiges irgendwo zurücklassen.
Er schüttelt den Kopf. Wie konnte er das nicht früher sehen?
„Ich bin schon längst dort…“, murmelt er zu sich selbst.
Er denkt an die letzten Wochen zurück. An das erste Mal, als er Elysias Wohnung betreten hat und sich dachte:
Verdammt. Das fühlt sich gut an.
An den Moment, als ihr Vater ihm beim ersten Treffen auf die Schulter geklopft hat, als würde er ihn schon seit Jahren kennen.
An Phelia, die ihn sofort ins Herz geschlossen hat und sofort mit dem Satz ankam:
„Wenn du ihr weh tust, Junge, dann back ich dich ins nächste Brot ein.“
An das Gefühl, jeden Sonntag wieder loszufahren. Mit einem Knoten im Magen. Immer.
Kian massiert sich die Stirn und lehnt sich im Stuhl zurück, während die Wahrheit sich langsam formt, Wort für Wort:
Ich will nicht mehr wegfahren.
Ich will morgens aufwachen und sie ist da.
Ich will nicht nur an den Wochenenden ihr Leben teilen.
Ich will… alles teilen.
Ein leiser, kaum hörbarer Atem entweicht ihm - halb Lachen, halb Erleichterung, halb Erschrecken.
„Scheiße…“, flüstert er. „Ich will sie.....alles mit ihr.“
Der Gedanke trifft ihn nicht wie ein Schlag. Er war da.
Leise. Versteckt zwischen jeder Autofahrt und jedem Abschiedskuss.
Aber jetzt… ist er klar. Und er fühlt sich nicht verrückt an. Nicht übereilt.
Nicht romantisch-naiv. Er fühlt sich richtig an. Richtig im Kern.
Kian richtet sich langsam auf, sieht auf seine Hände, als hätte er gerade etwas Wichtiges begriffen.
„Brunnental…“, murmelt er. „Vielleicht ist das wirklich… mein Zuhause.“
Und dann, ganz leise, ganz ehrlich: „Bei ihr.“
Er zieht das Handy aus der Tasche. Sein Daumen schwebt kurz über ihrem Chatfenster.
Aber er schreibt nichts. Noch nicht. Doch tief in ihm ist ein Entschluss gefallen.
Einer, den er nicht rückgängig machen will.
Es ist später Abend, schon dunkel, und ein leichter Schneefall hat Brunnental und auch Kians Stadt erneut überzuckert. Elysia sitzt zu Hause auf dem Sofa, eingekuschelt in eine flauschige Decke, die Haare zu einem lockeren Dutt hochgesteckt. Eine Tasse Tee wärmt ihre Hände, während sie auf ihr Handy starrt.
Sie hat den ganzen Tag an Kian gedacht - mehr, als sie zugeben würde.
Und irgendwie… hat sie das Gefühl, dass etwas in ihm arbeitet. Dass irgendetwas in der Luft liegt.
Als ihr Handy vibriert, zuckt sie zusammen.
Kian:
Bist du noch wach?
Elysias Herz schlägt ein kleines bisschen schneller.
Sie schreibt zurück:
Ja, bin noch wach
Fast sofort wird sie angerufen.
„Hey“, sagt Kian, seine Stimme weich, ein kleines bisschen müde, aber warm.
„Hey du“, antwortet sie.
Es ist ein Moment Stille. Nicht unangenehm - eher so ein Schweigen, in dem beide lächeln. Doch heute ist etwas anders. Elysia spürt es sofort.
„Ist alles okay?“, fragt sie leise.
Kian räuspert sich, und sie glaubt, ein nervöses Lachen zu hören.
„Ja… also… eigentlich ja. Besser als ja.“
„Aber?“, fragt sie vorsichtig, ihr Ton weich und warm.
Er atmet leise durch.
„Ich hab heute viel nachgedacht.“
Elysia setzt sich auf, ihre Aufmerksamkeit voll bei seiner Stimme.
„Über uns?“
„Ja“, sagt er, ehrlich und direkt, wie er es immer ist, wenn es wirklich zählt.
„Über uns. Und darüber… wie das gerade läuft. Und was das mit mir macht.“
Elysias Herz macht einen kleinen Sprung, aber auch Sorgen mischen sich ein.
„Kian… du machst mir gerade ein bisschen Angst.“
Er reagiert sofort.
„Nein, nein, bitte nicht.“ Seine Stimme wird weicher. „Nichts Schlimmes. Wirklich nicht.“
„Ich wollte nur…“ Er ringt hörbar nach Worten. „Dir sagen, dass ich… gerade über etwas Größeres nachdenke.“
„Größer?“, fragt sie vorsichtig.
„Ja.“ Er lacht nervös. „Etwas, das… uns betrifft.“
Elysia hat plötzlich warme Hände und kalte Füße.
„Kian… was meinst du?“
„Ich sag’s dir, wenn ich mir ganz sicher bin“, sagt er sanft. „Ich will dir nichts überstürztes vor die Füße werfen. Und ich will, dass es… richtig für uns beide ist.“
Seine Stimme bekommt einen untypischen, verletzlichen Unterton. „Aber Elysia, eines weiß ich jetzt schon…“ Er hält kurz inne, als würde er Luft holen, bevor er springt „Ich möchte nicht für immer nur am Wochenende bei dir sein.“
Elysia hält den Atem an. Ihr ganzes Herz zieht sich zusammen.
„Kian…“, flüstert sie.
„Mehr sag ich heute nicht“, murmelt er weich. „Aber… ich wollte dich nicht im Dunkeln lassen, falls ich mich ein paar Tage etwas… nachdenklicher verhalte.“
Sie schluckt.
„Danke… dass du mir das sagst.“
„Du bist mir wichtig“, sagt er, ohne zu zögern. „So wichtig, dass ich nichts falsch machen will.“
Elysia merkt, wie ihr die Tränen warm in die Augen steigen. Nicht vor Trauer.
„Du bist mir auch wichtig“, sagt sie genauso ehrlich.
„Sehr sogar.“
Wieder folgt Stille – aber eine, die sich wie eine Umarmung aus der Ferne anfühlt.
„Schlaf heute gut.“, sagt er leise.
„Du auch.“
Sie bleibt noch lange wach, das Handy an die Brust gedrückt, und ein Gedanke pulsiert in ihrem Inneren:
Er denkt über uns nach.