Falkensee - Kapitel 30
Das erste Licht des Winters schleicht sich durch den halb zugezogenen Vorhang, ein weiches, blasses Blau, das den Raum in eine traumhafte Stille taucht. Es ist diese tiefe, reine Stille, die nur ein verschneiter Morgen bringen kann.
Kian blinzelt langsam in die Helligkeit, braucht einen Moment, um sich zu orientieren. Er begreift, wo er ist. Und dann spürt er es.
Elysia.
Warm, weich, atmend liegt sie in seinen Armen. Sie ruht halb auf seiner Brust, ihr Gesicht schmiegt sich an seinen Hals, eine Hand liegt lose über seinem Bauch. Ihr Atem streift seine Haut, ruhig, gleichmäßig, tief. Ihr Haar fällt in sanften, hellen Wellen über seine Schulter.
Kian schließt für einen Moment die Augen, atmet leise durch, erfüllt von ihrem Duft. Ganz vorsichtig zieht er sie ein Stück näher zu sich, darauf bedacht, diesen Frieden nicht zu stören.
Sie murmelt etwas Unverständliches im Schlaf, und ein winziges, schlaftrunkenes Lächeln huscht über ihr Gesicht. Er ist verloren. Völlig und bedingungslos. Der Gedanke, der sich in ihm festsetzt, ist warm, ruhig und sicher: So will ich jeden Tag aufwachen.
Er betrachtet sie, seine Finger streichen sanft über ihren Oberarm, über ihre Hüfte, eine Berührung, die sie nicht weckt. Ihre Nähe fühlt sich nicht nur wie Heimat an, sondern wie ein unerwartetes Ankommen. Es ist etwas Kostbares, das er niemals wieder loslassen will.
Er denkt an die letzte Nacht. An die überwältigende Wärme, die Zärtlichkeiten, die tiefen Küsse, das Gefühl, endlich ganz bei sich und ganz bei ihr zu sein. Und er muss lächeln. Sein Lächeln ist breit und echt.
„Ich liebe es“, flüstert er leise, die Worte mehr für sich selbst als für sie bestimmt. „So sehr.“
Seine Hand gleitet durch ihr weiches Haar, und er drückt einen sanften, ehrfürchtigen Kuss auf die Spitze ihres Kopfes. Der Gedanke, sie bald jeden Morgen so im Arm haben zu können – ohne Pläne, ohne Abschiede, ohne die Kilometer, die sie trennen – entlockt ihm ein leises, wohliges Seufzen. Es ist ein Geräusch, das direkt aus seinem Herzen kommt.
Elysia regt sich leicht, schmiegt sich fester an ihn, ohne die Augen zu öffnen. Als hätte ihr Körper geahnt, was er denkt, was er fühlt.
Kian zieht sie noch ein Stück fester an sich. Sein Kinn ruht an ihrem Haar, und er schließt die Augen, genießt diesen friedlichen Moment, diesen Kontrast zu allem, was er zuvor kannte.
Ein Morgen, der perfekt ist. Ein Morgen, der sich nach Zukunft anfühlt.
Er weiß: Ihr Leben wird sich verändern. Bald. Und er will es. Mit ihr. Egal, wohin es sie führt.
Doch für jetzt – reicht es, sie im Arm zu halten. Den Duft ihrer Haare einzuatmen. Und dankbar zu sein, dass sie hier ist. Bei ihm.
Elysias Wecker reißt die morgendliche Stille abrupt entzwei. Ein helles, penetrantes Piepen füllt das kleine Schlafzimmer.
Elysia verzieht im Schlaf das Gesicht, die Hände krallen sich leicht in Kians Haut.
Kian öffnet die Augen – gerade genug, um zu verstehen, was geschieht. Er streckt den Arm über sie hinweg, tastet blind nach dem Nachttisch und ertappt ihr Handy und berührt den Bildschirm. Der Wecker verstummt. Die Stille kehrt sofort zurück, tief und wohltuend. Er legt das Handy wieder ab und sieht hinunter auf die Frau in seinen Armen.
Elysia atmet tief durch, als würde ihr Körper die verlorene Schlafminuten sofort zurückfordern. Dann kuschelt sie sich noch enger an ihn, ihre Stirn an seine Brust gedrückt, ein leises, verschlafenes Murmeln verlässt ihre Lippen.
„Ich will nicht aufstehen…“
Kian muss schmunzeln. Er kann nicht anders. Sie klingt wie ein kleines, müdes Kätzchen, das sich weigert, seinen warmen Platz zu verlassen.
Ihre Fingerspitzen wandern über seine Haut – ganz sanft, halb im Schlaf, halb bewusst. Sie streichen über seine Seite, seine Hüfte, als suche sie einfach nur die Bestätigung, dass er wirklich da ist. Dass er geblieben ist.
Das tut etwas mit ihm. Etwas Warmes, etwas Tiefes, das ihm direkt ins Herz sickert. Er beugt sich hinunter, küsst den Scheitel ihres Haares, und sein Atem streift ihre Schläfe.
„Dann bleib einfach liegen“, flüstert er, ein leises Lächeln in der Stimme. „Ich geb dich nicht zurück.“
Elysia lächelt im Halbschlaf. Ein echtes, kleines, glückliches Lächeln.
„Klingt gut…“, murmelt sie.
Kian streicht ihr eine Strähne aus dem Gesicht, betrachtet sie einen Moment. Sie sieht so friedlich aus. So sicher. So sehr nach dem, was er jeden Morgen sehen möchte.
„Du musst erst in einer Stunde los, oder?“, fragt er leise.
Sie nickt gegen seine Brust, ohne die Augen zu öffnen.
„Dann“, sagt er leise, seine Stimme voller Zärtlichkeit, „ist eine Stunde genau genug, um so liegen zu bleiben.“
Seine Arme schließen sich etwas fester um sie. Ihr Bein wandert über seins. Sie atmet tief ein und entspannt sich vollkommen in seiner Umarmung. Die Welt ist ruhig. Dieser Moment gehört nur ihnen.
Ihre Fingerspitzen fahren langsam über seine Haut, erst an seiner Seite, dann höher, über den Brustkorb, warm, vertraut und suchend. Kian atmet tiefer ein und spürt jede einzelne ihrer Berührungen. Er zieht sie ein wenig höher zu sich, sodass ihre Augen auf gleicher Höhe sind.
Elysia hebt den Kopf, noch schläfrig, ihr Haar fällt ihr in sanften Strähnen ins Gesicht. Ihre Blicke treffen sich in der stillen Morgendämmerung. Es ist ein ruhiges, warmes, aber gefährliches Funkeln.
„Es ist schön mit dir…“, flüstert sie, ihre Stimme heiser vom Schlaf und voller unerwarteter Tiefe.
Kian streicht ihr sanft über die Wange. „Mit dir auch...“
Elysia lächelt – dieses kleine, vertraute, halb verschmitzte Lächeln, das ihn jedes Mal aus der Bahn wirft. Sie schiebt sich näher, legt eine Hand an seinen Nacken, ihre Finger spielen sanft in seinen Haaren. Ihre Lippen finden seine.
Der Kuss beginnt sanft, fast tastend, aber er wird schnell tiefer.
Kian gibt ihn zurück, zieht sie enger an sich, bis ihre Körper sich so nah sind, dass kein Raum mehr zwischen ihnen bleibt. Ihr Atem mischt sich, warm und verlangend, ihre Finger erkunden einander zärtlich, langsam, mit wachsender Intensität.
Der Kuss wird intensiver. Wärmer. Tiefer. Alles an ihnen spricht dieselbe Sprache, eine leidenschaftliche, wortlose Gewissheit:
Ich will dich. Jetzt. Ganz.
Die Welt draußen verschwindet vollkommen. Der Schnee, der Wecker, die verstrichene Zeit – alles wird unwichtig. Es gibt nur sie Zwei. Nur Nähe. Nur Wärme und dieses sichere Gefühl, endlich angekommen zu sein.
Elysia zieht ihn mit sich, ihre Hände gleiten über seine Haut, seine Finger finden ihren Rücken. Ihre Körper begegnen einander, als wären sie dafür geschaffen, sich genau in diesem Moment zu vereinen.
Und der Morgen… er beginnt nicht mehr ruhig.
Er beginnt voller Leidenschaft. Voller Gefühl. Voller Hingabe.
Der Raum füllt sich mit Wärme, leisen Atemzügen, zärtlichen Berührungen – und all dem, was keine Worte braucht, um wahre Liebe auszudrücken.
Das Zimmer füllt sich mit leisen Lauten – schwere Atemzüge, leises Stöhnen, das wie ein Versprechen klingt, und Seufzer, die aus der tiefsten Mitte des Moments entstehen.
Elysia vergräbt ihr Gesicht in der Kurve seines Halses, ihre Fingernägel ziehen eine kaum spürbare, warme Linie über seinen Rücken. Kian antwortet darauf, indem er sie enger hält, fester, als wäre sie alles, was er an diesem Morgen braucht.
Sie verlieren sich in diesem Gefühl, in einer Nähe, die stärker und ehrlicher ist als alle Worte, die jemals gesprochen wurden. In der Wärme, die zwischen ihren Körpern immer dichter wird. In dem Rhythmus, der sich ganz von selbst findet und nur ihnen gehört.
Der Schnee draußen fällt weiter, leise und gedämpft, als wollte die Welt ihre Intimität nicht stören. Aber hier, unter der Decke, zwischen ihren ineinander verschlungenen Körpern, brennt der Morgen.
Sie geben sich einander hin. Nicht hastig, nicht laut, sondern in einem stillen, tiefen, intensiven Zusammensein.
Der Raum ist in eine behagliche Wärme gehüllt. Ihre Atemzüge werden langsamer, ruhiger, während das gedämpfte, blasse Licht des Wintermorgens über die Bettdecke gleitet.
Elysia liegt halb auf Kians Brust, völlig entspannt. Ihre Finger streicheln genüsslich über seine nackte Haut, saugen die wohlige Wärme seiner Brust in sich auf.
Kian hat einen Arm fest um sie geschlungen, die Hand streichelt sanft an ihrer nackten Hüfte, als wolle er sicherstellen, dass sie in diesem friedlichen Moment nicht wieder verschwindet.
Ein Lächeln liegt auf beiden Gesichtern. Es ist das Lächeln zweier Menschen, die gerade etwas geteilt haben, das zu tief und zu schön ist, um es in Worte zu fassen.
„Wenn das mein Morgen sein könnte“, murmelt Kian in ihr Haar, seine Stimme ist rau und ehrlich, „jeden Tag…“
Elysia hebt leicht den Kopf und sieht ihn an – ihr Blick ist warm, mit einem kleinen, schelmischen Schmunzeln in den Augen.
„Dann solltest du einfach bleiben.“
„Ich denke ernsthaft darüber nach“, sagt er sanft.
Sie kuschelt sich fest an ihn. Für ein paar Minuten spricht keiner von beiden. Sie genießen einfach nur – die unerschütterliche Wärme, die ungestörte Nähe, die absolute Stille.
Doch irgendwann seufzt Elysia tief. „Ich… muss eigentlich längst aufstehen.“
Kian zieht eine Braue hoch. „Eigentlich.“
„Ja“, sagt sie, und man hört die Entschlossenheit in ihrer Stimme, die mit dem Wunsch zu bleiben ringt. „Ich hab Frühschicht.“
Kian sieht demonstrativ zur Uhr, die auf dem Nachttisch steht.
Elysia folgt seinem Blick. Und reißt die Augen auf.
„Oh Gott! Ich bin schon fast zu spät!“
Kian lacht leise, lässt sie aber nicht los – im Gegenteil, er schlingt die Arme kurz noch fester um sie und drückt einen Kuss auf ihren Scheitel.
„Das ist es wert“, sagt er mit vollkommener Überzeugung.
„Kian!“, protestiert sie schwach – aber das Lächeln auf ihren Lippen verrät, dass sie ihm vollkommen zustimmt.
Sie winden sich schließlich unter der Decke hervor, beide völlig zufrieden, beide lachend, wie zwei Menschen, die sich in einem kleinen, warmen Wunder wiederfinden.
„Ich muss duschen“, sagt Elysia eilig, ihre Stimme hallt noch leicht von der Leidenschaft des Morgens wider.
„Ich auch“, antwortet Kian – viel zu unschuldig, seine Augen funkeln.
Sie wirft ihm einen Blick zu, der halb gespielte Empörung und halb unwiderstehliches Lächeln ist.
„Kian…“
„Was denn?“, fragt er mit einem Achselzucken, das jegliche Schuld von sich weist. „Wir verschwenden nur Wasser, wenn wir getrennt duschen.“
Sein breites, unwiderstehliches Grinsen ist ihr Todesstoß. Elysia verdreht die Augen, aber er sieht genau, wie ihre Augen funkeln. Das Argument ist zu gut, der Gedanke an die gemeinsame Wärme zu verlockend.
Und so verschwinden sie gemeinsam ins Badezimmer. Nur wenige Minuten später dringen gedämpftes Lachen, das leise Plätschern des Wassers und ein zufriedenes Seufzen aus dem Raum. Das Bad, das vor wenigen Stunden noch kühl war, füllt sich nun mit Dampf und einer neuen, intimen Wärme.
Valerian sitzt an der Bettkante. Er hält das Handy fest, die Finger so verkrampft, dass die Knöchel weiß hervorstehen und das Blut aus ihnen weicht.
Das Video läuft nicht mehr. Es muss nicht mehr laufen.
Er hat jedes Bild, jede Bewegung, jedes Detail der Intimität tief in sein Innerstes eingebrannt – bis in die letzten, dunkelsten Ritzen seiner Gedanken.
„Ich kenne ihn…“, murmelt er. Seine Stimme ist ein heißes, brodelndes Flüstern, das die Wahrheit nicht mehr leugnen kann.
Sein Blick ist starr, konzentriert, gefährlich. Die Konzentration eines Mannes, der kurz davor ist, die Welt in seiner Realität neu zu ordnen. Er tippt auf Kesslers Namen.
Kaum zweimal klingt das Freizeichen, da hebt Kessler ab. „Ja?“
Valerians Stimme ist sofort schneidend. „Ich habe den Kerl erkannt.“
Kessler bleibt ruhig, professionell. „Wer ist er?“
Valerian atmet scharf ein, ein kalter Zug durch die Nase, als müsse er sich sammeln. „Ich kenne seinen Namen nicht. Aber… irgendwas mit K. Oder… Ke. Ki…“
Er presst die Augen zusammen. Er sieht vor sich, wie dieser Mann damals Elysia weggeführt hat. Wie er nun ihre Lippen küsst. Wie er sie hochhebt, als gehöre sie ihm. Die Eifersucht kocht in ihm.
„Ich habe ihn gesehen. Damals. Als ich sie gesucht habe. Als sie sich versteckt hat.“ Die Stimme bricht für eine Sekunde – ein Ausbruch von Wut, nicht von Schwäche. „Er hat sie damals schon weggezogen. Er war da. Er hat sie mir genommen.“
Kessler schweigt einen Moment. Er hört die reine, ungeschminkte Wahrheit heraus: Valerians Obsession wird stärker, gefährlicher.
„Also jemand aus der Zeit kurz vor der Trennung?“, fragt Kessler sachlich.
„Ja“, stößt Valerian hervor. „Auf jeden Fall. Ich erinnere mich an seine Haltung, seine Schultern, seine… Art, sie anzusehen.“ Er knurrt förmlich. „Ich war zu aufgebracht, um es damals zu begreifen. Aber jetzt… jetzt weiß ich es.“
Er steht auf, beginnt, ein paar Schritte durch das Zimmer zu gehen. Hin und her, hin und her. Wie ein Raubtier in einem zu kleinen Käfig.
„Finden. Sie. Heraus. Wer. Dieser. Mann. Ist.“
Seine Stimme ist tief, eiskalt. Jedes Wort ein unverhandelbarer Befehl. „Name. Adresse. Job. Herkunft. Beziehung zu ihr. Alles.“
„Verstanden“, sagt Kessler knapp.
Doch Valerian ist noch nicht fertig. Seine Atmung geht schwerer, rauer.
„Und sobald Sie es wissen, sagen Sie mir sofort Bescheid. Ich werde… handeln müssen.“
Kessler sagt nichts. Er weiß nur zu gut, was dieser Satz in Valerians Welt bedeutet.
„Ich lasse nicht zu“, zischt Valerian, „dass dieser Mann… diese… Beziehung… dass das bestehen bleibt.“ Er schlägt mit der Hand gegen die Wand neben sich. Ein dumpfer Klang von unterdrückter Gewalt. „Er hat sie damals gegen mich aufgehetzt. Er hat sie fortgeführt. Und jetzt…“ Seine Stimme wird dunkler, giftiger. „Jetzt glaubt er, sie gehört ihm.“ Ein bitteres, fast gebrochenes Lachen verlässt seine Kehle. „Aber sie gehört zu mir. Immer.“
Kessler antwortet sachlich, kühl: „Ich schicke Ihnen Updates, sobald ich etwas habe.“
„Tun Sie das“, knurrt Valerian. „Und beeilen Sie sich. Ich dulde das nicht länger.“
Er beendet das Gespräch. Sein Atem geht schnell, seine Hände zittern noch immer vor unterdrückter Wut. Langsam hebt er den Kopf. Seine Augen sind schmal, dunkel und entschlossen.
Er will Elysia zurück. Nicht aus Liebe, nicht aus Reue. Sondern aus Besitz. Aus verletztem Stolz. Aus der tiefen, unerschütterlichen Überzeugung, dass sie ihm gehört.
Und niemand – vor allem nicht ein Mann mit einem K – wird ihm das nehmen.
Nicht noch einmal.
Das Haus liegt noch still im frühen Morgen. Die Wintersonne hat es nicht geschafft, hinter die grauen Wolken zu steigen, und ein blasses, kaltes Licht hängt im oberen Flur.
Frau Schubert ist bereits auf den Beinen. Ihr Morgen beginnt immer früh: Kaffee vorbereiten, den Kamin anmachen, den Flur wischen. Es ist ein leiser, pflichtbewusster Rhythmus, der das große Haus langsam zum Leben erweckt.
Als sie die oberen Stufen hinaufsteigt, dringen plötzlich Geräusche aus Valerians Schlafzimmer. Stimmen. Seine Stimme. Sie ist angespannt, zischend, und brennt vor Wut.
Sie bleibt stehen, einen Schritt vor der Tür. Sie hört Fetzen: „...herausfinden, wer dieser Mann ist.“ „...ich dulde das nicht.“ „...sie gehört zu mir.“
Ihr Herz beginnt schneller zu schlagen.
Oh nein. Nicht wieder.
Sie tritt unmerklich näher an die Tür, nicht um zu lauschen, sondern weil sie körperlich spürt, dass etwas nicht stimmt. Dass Valerian in einem Zustand ist, den sie nur zu gut kennt – jener Zustand, der Elysia am Ende so viel Angst gemacht hat.
Sie hört, wie er abrupt das Telefonat beendet. Schritte folgen, schnell und hart. Frau Schubert macht instinktiv einen Schritt zurück – doch genau in diesem Moment reißt Valerian die Tür auf. Sie zuckt zusammen. Die Tür schnellt nur wenige Zentimeter an ihrem Gesicht vorbei.
Valerian steht im Türrahmen. Seine Haare sind zerzaust, seine Augen gerötet – vor Wut, vor Schlafentzug, die Dunkelheit des Raumes scheint noch immer in ihnen zu hängen. Die Hände sind zu Fäusten geballt. Er sieht sie, und sein Blick wird schmal, kalt.
„Was machen Sie hier?“, knurrt er.
„Herr Auberon... ich wollte nur fragen, ob Sie...“
„Sie sollen ARBEITEN! Nicht in meinem Flur herumschleichen!“
Frau Schubert senkt den Kopf, aber ihr Herz hämmert schmerzhaft. „Verzeihen Sie... ich dachte...“
„Denken Sie nicht“, zischt er. „Tun Sie, wofür ich Sie bezahle, und stehen Sie mir nicht im Weg.“
Er stößt sich an ihr vorbei und eilt den Flur entlang. Seine Schritte sind schnell, aufgebracht. Die Tür zum Badezimmer schlägt er hinter sich zu.
Frau Schubert bleibt stehen. Reglos. Das Geschirrtuch in ihrer Hand zittert leicht. Tränen steigen ihr in die Augen – nicht aus Angst um sich selbst, sondern aus Angst um jemand ganz anderen.
Elysia.
Sie spürt es. Sie weiß es. Dieser Mann hat sich keinen einzigen Tag mit der Trennung abgefunden. Und jetzt, nach diesem Video, nach diesem Gespräch, nach dieser unkontrollierten Wut – ist er wieder der Valerian, den Elysia so sehr fürchtete.
Frau Schubert legt die Hand auf ihre Brust, spürt den heftigen Schlag ihres Herzens.
„Oh Himmel... ich muss sie warnen“, flüstert sie.
Denn sie kennt ihn. Sie kennt seine Dunkelheit. Sein unerbittliches Temperament. Seine zerstörerische Art, wenn sein Stolz verletzt ist.
Und sie weiß: Elysia ist in Gefahr. Mehr denn je.